Gewitter & Gefahren

Superzellen


Aufnahme einer Superzelle vom 28.7.2013 bei Fürth. Bildquelle: Oliver Reuter
Aufnahme einer Superzelle vom 28.7.2013 bei Fürth. Bildquelle: Oliver Reuter

"Superzellen sind die stärksten Gewitter unserer Erde. Sie produzieren Großhagel, heftigen Starkregen, Orkanböen und sogar Tornados. Im Vergleich zu gewöhnlichen Gewittern verfügen sie über einzigartige physikalische und optische Merkmale, sodass sie in der Fachliteratur einen eignen Gewittertyp darstellen."

Begriffsherkunft

1962 wurde der Begriff „Superzelle“ von Keith Browning in England geprägt. Zurückzuführen ist diese Bezeichnung auf ein Konvektionsereignis vom 09. Juli 1959. Damals zogen mehrere schwere Gewitterzellen über England hinweg. Eine Zelle bildete sich dabei über Frankreich, überquerte den Ärmelkanal und hinterließ anschließend im Südosten von England eine mehr als 200 km lange Hagelspur. Das Schwergewitter brachte auch der Stadt Wokingham golfballgroßen Hagel und ging als "Wokingham-Storm" in die meteorologischen Geschichtsbücher ein. Keith Browning und Frank Ludlam analysierten das Konvektionsereignis über Wokingham anhand von Radardaten. Sie stellten fest, dass die Zelle im Vergleich zu den anderen Gewittern als isoliertes System nach rechts ausscherte und wesentlich langlebiger war. Nachdem das Wokingham-Ereignis mit einem ähnlichen Gewittersturm am 04. Mai 1961 in der Nähe von Geary, Oklahoma verglichen wurde, kamen die Meteorologen Keith Browning, Frank Ludlam und Donaldson schnell zu dem Entschluss, dass solche Zellen in einer Umgebung mit starker vertikaler Windscherung entstehen. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde 1964 erstmals ein konzeptionelles Modell einer sogenannten klassischen Superzelle von Browning veröffentlicht.

Merkmale einer Superzelle

Die Mesozyklone

Superzellen sind langlebige Gewitter, die über einen persistent rotierenden Aufwind verfügen. Eine in der Vergangenheit definierte Rotationsdauer von mindestens 30 Minuten wird in der Praxis als Superzellenschwellenwert kaum noch verwendet. Die Drehbewegung des Aufwindes um eine vertikale Achse ist auf eine sich in der rechten hinteren Flanke der Zelle befindlichen hochreichenden und beständigen Mesozyklone zurückzuführen, die ihre stärkste Rotationsgeschwindigkeit und den tiefsten Luftdruck im mittleren Niveau der Superzelle aufweist. Das damit vorhandene Druckgefälle mit der Höhe verstärkt die Aufwindgeschwindigkeit im Extremfall auf über 200 km/h. Mesozyklonen erreichen mitunter eine horizontale Ausdehnung von bis zu 10 km. Erkennen lassen sie sich mit einem Doppler-Radar (Radialwinddarstellung).

Forward Flank Downdraft und Rear Flank Downdraft

Abb. 1 | Die Draufsicht einer klassischen Superzelle zeigt die Verteilung von RFD, Updraft und FFD. | Bildquelle: Welt der Synoptik
Abb. 1 | Die Draufsicht einer klassischen Superzelle zeigt die Verteilung von RFD, Updraft und FFD. | Bildquelle: Welt der Synoptik

Superzellen verfügen mit dem Forward Flank Downdraft (FFD) und dem Rear Flank Downdraft (RFD) über zwei voneinander getrennte Abwindbereiche, die den Aufwind flankieren. Daraus resultiert ein Selbsterhaltungsmechanismus, der das Gewitter zum Teil mehrere Stunden am Leben hält. 

 

Der Forward Flank Downdraft entsteht im Bereich des stärksten Niederschlags in Zugrichtung auf der Vorderseite der Superzelle. Durch Verdunstung von Niederschlagspartikeln kühlt die Luftsäule sehr stark ab. Der Temperaturrückgang erhöht die Luftdichte, sodass sich ein kalter Abwind, der Forward Flank Downdraft, bilden kann. Bei Erreichen des Bodens weitet sich der FFD horizontal aus und bildet eine Gust Front.

 

Der Rear Flank Downdraft bildet sich auf der Rückseite der Superzelle durch das blockieren der Strömung durch den Updraft. Dabei wird die Luft buchstäblich nach unten gedrückt und erwärmt sich trockenadiabatisch. Erhalten und verstärkt wird dieser durch das Verdunsten von Niederschlag aus dem Amboss in unmittelbarer Nähe des Aufwindes. Bei Erreichen des Bodens bildet sich ebenfalls eine Gust Front.

 

Während beide Abwinde in der Ferne anhand von Niederschlagsfallstreifen erkennbar werden, wird der Aufwindbereich durch eine Wall Cloud markiert.

Wall Cloud

Eine Wall Cloud (Mauerwolke) markiert als herabgesetzte, nahezu niederschlagsfreie und langsam rotierende Wolkenbasis den kräftigen Aufwindbereich einer Gewitterwolke.

Hakenecho (Hook Echo)

Das wohl erste wesentliche Erkennungsmerkmal aus der Ferne ist das Hakenecho als Radarsignatur. Damit unterscheidet sich eine (klassische) Superzelle deutlich von einem gewöhnlichen Gewitter. Die Darstellung eines Hook Echo´s aber ist ausnahmslos nur mit einem extrem hochauflösbaren Radar möglich. Die Auflösung sollte wenige hundert Meter betragen. Hook Echo´s stehen immer in Verbindung mit schweren Unwettern. Daher ist in ihrer Nähe große Achtsamkeit geboten.

Rightmover / Leftmover

Superzellen unterschieden sich von gewöhnlichen Gewittern auch in Bezug auf die Verlagerungsrichtung. Während Einzel- und Multizellen mit der Hauptströmung in etwa 500 hPa ziehen, weisen Superzellen in den überwiegenden Fällen eine von der Hauptströmung abweichende Rechtsbewegung auf (right-moving). Dies liegt am zumeist starken Rechtsdrehen des Windes (Veering) im unteren Niveau der Troposphäre. Teilweise bewegen sich Superzellen auch nach links, wobei dieser Fall nicht allzu häufig auf der Nordhalbkugel beobachtet wird.

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Superzellenspektrum

Superzellen werden je nach Niederschlagsmenge und Niederschlagsausdehung in Low Precipitation (LP), Classic (CL) und High Precipitation (HP) Supercells untereilt. Häufig transformiert ein gewöhnliches Gewitter zu einem speziellen Superzellentyp und bleibt als solcher lang- oder kurzlebig aktiv.

Entwicklungsstadien

Superzellen bilden sich entweder aus isolierten Einzelzellen oder aus Einzelzellen in einem Multizellengewitter.

Wie jedes andere Gewitter wächst auch die "verdächtige" Zelle vertikal in den Himmel und erreicht mitunter bereits hohe Reflektivitätswerte (dBZ).

Superzellenvorhersage

Schätzungsweise 10% aller global auftretenden Gewitter sind Superzellen. Damit sind die stärksten Gewitter der Erde recht seltene Phänomene, wenngleich sie enorme Schäden anrichten können. In Mitteleuropa bilden sich Superzellen häufig auf der Vorderseite kräftiger Tiefdruckgebiete.



© Welt der Synoptik | Autor: Denny Karran