Vorhersage von Superzellen


Schätzungsweise 10% aller global auftretenden Gewitter sind Superzellen. Damit sind die stärksten Gewitter der Erde recht seltene Phänomene, wenngleich sie enorme Schäden anrichten können. In Mitteleuropa bilden sich Superzellen häufig auf der Vorderseite kräftiger Tiefdruckgebiete, wo sich alle notwendigen Zutaten (Instabilität + Feuchte + Trigger + Windscherung) überlagern. Dabei ist die Entstehung dieser Schwergewitter prinzipiell saisonal unabhängig, wobei die intensivsten Gewitter aufgrund des höheren Energieangebotes in den Sommermonaten zu beobachten sind.

Typische Großwetterlage

Abb. 1 | Typische Großwetterlage, die die Bildung von Superzellen insbesondere in der warmen Jahreszeit begünstigt. Deutschland liegt idealerweise auf der Vorderseite eines kräftigen Tiefdruckgebietes. | Bildquelle: Deutscher Wetterdienst
Abb. 1 | Typische Großwetterlage, die die Bildung von Superzellen insbesondere in der warmen Jahreszeit begünstigt. Deutschland liegt idealerweise auf der Vorderseite eines kräftigen Tiefdruckgebietes. | Bildquelle: Deutscher Wetterdienst

CAPE und Windscherung

Superzellen entwickeln sich (wie andere starke Gewittersysteme auch) in einem Bereich hoher Instabilität. Diese Instabilität ist besonders im Warmluftsektor auf der Vorderseite eines kräftigen Tiefdruckgebietes zu finden. Die Größenordnung der CAPE liegt in etwa zwischen 1000 bis 2000 J/Kg und mehr.

 

Eine weitere wichtige Zutat ist die Windscherung. Um ein langlebiges Gewitter generieren zu können, bedarf es neben der hohen Instabilität auch eine hohe vertikale Geschwindigkeitsscherung bis 6 km Höhe, die zu einem separaten Auf- und Abwindbereich führt. Die sogenannte Deep Layer Shear (DLS: 0-6 km) beträgt dabei mindestens 20 m/s.

Superzellen bilden sich oft auch bei ...

  1. Scherungswerten von unter 20 m/s. Dann sollte aber die CAPE deutlich höhere Werte als 1000 bis 2000 J/Kg aufweisen. Denn bei einer sehr hohen CAPE in einer "scherungsschwachen" Umgebung sorgt die von der hohen Aufwindgeschwindigkeit erzeugte kräftige horizontale Konvergenz noch immer für genügend vertikale Vorticity, die folglich eine Mesozyklone generieren kann. Ist ...
  2. die Scherung dagegen sehr hoch (0-6 km > 25 m/s), dann reicht für die Superzellengenese bereits eine moderate MLCAPE um 500 J/Kg vollkommen aus. Demnach existiert in beiden Fällen allem Anschein nach ein Kompensationseffekt.

Bei einer schwachen CAPE wirkt sich zudem sogar eine hohe Low-Level-Shear (0-1 km) für Superzellen förderlich aus. Diese führt bei Werten oberhalb von 10 m/s zu einer verstärkten Aufwindgeschwindigkeit und kompensiert damit die geringe CAPE. Gleichzeitig aber wächst dann auch die Tornadogefahr.

Storm Relative Helicity

Die Storm Relative Helicity (SRH) ist ein Maß für die zyklonale Rotationswahrscheinlichkeit des Aufwindes und wird daher ebenfalls in der Superzellenvorhersage angewandt. Dabei ist besonders die SRH in einer Schicht zwischen 0 und 3 km oft gebräuchlich. Ab etwa 150 m²/s² besteht eine geringe Wahrscheinlichkeit für Superzellen. Ab einer SRH (0-3 km) von 250 bis 300 m²/s² ist eine zyklonale Rotation des Aufwindes wahrscheinlich.

Bei der SRH wird das Skalarprodukt aus Verlagerungsvektor der Superzelle und Vorticityvektor der horizontalen Vorticity (Streamwise Vorticity) in einer definierten Schicht integriert. Die Berechnung der SRH setzt also voraus, dass neben dem Windprofil insbesondere auch die Sturmbewegung des Gewitters bekannt ist.

Bulk Richardson Number

Oft wird in der Gewitter- und Superzellenvorhersage auch die Bulk Richardson Number verwendet. Dabei handelt es sich um einen empirischen und dimensionslosen Parameter, der die Wahrscheinlichkeit für Superzellenentwicklung angibt. In die Berechnung fließen in der Praxis die Differenz der Windgeschwindigkeit und Windrichtung zwischen 500 m und 6000 m sowie die CAPE vom Niveau der freien Konvektion bis zum Gleichgewichtsniveau ein.

Bei Werten oberhalb von 50 ist die CAPE der Windscherung deutlich überlegen. Bei Werten unterhalb von 10 ist die Windscherung intensitätsmäßig wesentlich höher als die CAPE. Ein Gleichgewicht beider Zutaten ist im Zwischenbereich zu finden. Daher ist bei Werten zwischen 10 und 45 die Wahrscheinlichkeit für Superzellen am größten.

 

Ab 40 steigt die Wahrscheinlichkeit für Einzel- oder Multizellengewitter. Bei unter 10 ist die Scherung so stark, das ein stabiles Gewittersystem gar nicht erst entstehen kann, da der Wolkenturm während seiner Entwicklung regelrecht auseinandergeschert wird. Da die BRN in einer Schicht zwischen 500 und 6000 m berechnet wird, werden die bodennahe Feuchte bzw. Wassergehalt nicht berücksichtigt. Auch die Strömung oberhalb von 6000 m (Jetstream) wird nicht berücksichtigt. Daher sollte die BRN nur als Zusatzinformation verwendet werden.

Vorhersagetool: Hodograph

Ein Hodograph zeigt die vertikale Verteilung des horizontalen Windes an. Diese Verteilung liefert nicht nur Hinweise für Temperaturadvektionsvorgänge, sondern ist auch ein sehr wichtiges Werkszeug in der Superzellenvorhersage. Denn anhand der vertikalen Windgeschwindigkeits- und Windrichtungsscherung lässt sich abschätzen, welcher Gewittertyp am wahrscheinlichsten auftreten könnte.  Im Falle von Superzellen herrscht, wie in den unteren Beispielhodographen zu sehen ist, eine starke Richtungs- und Geschwindigkeitsscherung.

Abb. 2 | Beispielhodograph vom 05.05.2015 um 12 UTC (Greifswald). Ringe: Windgeschwindigkeit (10 zu 10 Knoten). Achsen: Himmelsrichtung. | Quelle: Metwatch
Abb. 2 | Beispielhodograph vom 05.05.2015 um 12 UTC (Greifswald). Ringe: Windgeschwindigkeit (10 zu 10 Knoten). Achsen: Himmelsrichtung. | Quelle: Metwatch
Abb. 3 | Beispielhodograph vom 13.05.2015 um 12 UTC (Stuttgart). Ringe: Windgeschwindigkeit (10 zu 10 Knoten). Achsen: Himmelsrichtung. | Quelle: Metwatch
Abb. 3 | Beispielhodograph vom 13.05.2015 um 12 UTC (Stuttgart). Ringe: Windgeschwindigkeit (10 zu 10 Knoten). Achsen: Himmelsrichtung. | Quelle: Metwatch

Der typische Hodograph einer Luftmasse mit Superzellenpotential zeigt eine starke Windgeschwindigkeitszunahme und Windrichtungsänderung mit der Höhe. Die Kurve krümmt sich im klassischen Fall im Uhrzeigersinn, also nach rechts (Veering). Dies ist sowohl ein Zeichen für Warmluftadvektion als auch ein Hinweis für nach rechts ausscherende Superzellen (Rightmover).

In Abb. 2 (Greifswald) beträgt die Deep-Layer-Shear etwa 15 m/s (30 Knoten). Das Veering liegt in den unteren 3 km bei rund 80°. In Abb. 3 (Stuttgart) erreicht die Deep-Layer Shear etwa 25 m/s (50 Knoten) und das Veering etwa 170° in den unteren 3 km. Damit ist Superzellenpotential gegeben. Auch Tornados sind nicht ausgeschlossen.

Supercell Composit Parameter (SPC)

Der SPC ist ein dimensionsloser Kompositionsindex und beinhaltet die drei wesentlichen Superzellenvorhersageparameter  MUCAPE oder MLCAPE, 0-3 km Storm Relativ Helicity und 0-6 km Bulk Shear. In der Gleichung wird dabei jeder Superzellenvorhersageparameter normalisiert, indem jeder gegebene Parameterwert durch den jeweiligen für Superzellen notwendigen Parameterschwellenwert dividiert wird.

 

Gleichung: SCP = (MLCAPE / 1000 J/kg) * (SRH / 100 m²/s²) * (Bulk Shear / 40 m/s)

 

Die einzelnen Terme, insbesondere die SRH und Bulk Shear, sind scheinbar nicht einheitlich definiert und variieren je nach Anbieter. So gibt es mehrere Varianten, den SCP zu ermitteln. In den Wetterkarten von http://www.lightningwizard.com beinhaltet der SCP zum Beispiel die SREH, Bulk Richardson Shear und die MLCAPE. Im grundgenommen aber gilt: Je höher der SPC-Wert, desto höher ist auch die Superzellenwahrscheinlichkeit. 


© Welt der Synoptik | Autor: Denny Karran