Eine Bö ist ein plötzlich und kurzzeitig auftretender heftiger Windstoß, der oftmals von der vorherrschenden Hauptwindrichtung abweicht. Die Geschwindigkeit einer Bö überschreitet für 3 bis 20 Sekunden das 10-Minuten-Mittel der bodennahen Windgeschwindigkeit um mindestens 20 km/h (5 m/s oder 10 Knoten).
Böen werden durch Turbulenzen verursacht. Turbulenzen sind Verwirbelungen in der Luft, die unter anderem der Oberflächenbeschaffenheit (Reibung) und der Windscherung geschuldet sind (dynamische
Turbulenz). Aber auch die unterschiedlich starke Erwärmung der Erdoberfläche führt zu Turbulenzen. Dann wird von thermischer Turbulenz gesprochen. Turbulenzen haben die Aufgabe, Feuchtigkeits-,
Wärme- und Impulsunterschiede auszugleichen. Letzteres führt zu einer plötzlichen Verstärkung der Windgeschwindigkeit am Boden (Böen).
Bei Stürmen führt die dynamische Turbulenz zu starken Böen am Boden. Durch die Reibung nimmt die Windgeschwindigkeit zum Erdboden hin immer mehr ab. Luftpakete in der Höhe wirbeln um eine
horizontale Achse und übertragen ihre höhere Bewegungsenergie Richtung Boden (turbulenter Impulstransport). Dieser Impulstransport führt zu einer plötzlichen Erhöhung der Windgeschwindigkeit, die
20 bis 40 Prozent über der mittleren Bodenwindgeschwindigkeit liegt. Der Prozess der Böenerzeugung spielt sich etwa in den untersten 100 bis 200 Metern unserer Erdatmosphäre ab, während
Turbulenzen selbst aber insbesondere in der gesamten atmosphärischen Grenzschicht zu finden sind.
184 km/h
... schnell war die höchste Spitzenböe, die amtlich fernab von Bergen in Deutschland am 03. Dezember 1999 in List auf Sylt gemessen wurde. Im Landesinneren erreichen die Böen bei sehr schweren Orkanen 120 bis 130 km/h. Orkan Kyrill brachte dem Düsseldorfer Flughafen am 18. Januar 2007 sogar 144 km/h. Extreme 150 km/h wurden in Karlsruhe im Sturmfeld des Orkans "Lothar" am 26.12.1999 gemessen. Sturmtief "Christian" verursachte am 28. Oktober 2013 in Schleswig-Holstein an der Station Jagel Böen von 155 km/h. An der Küste wurden sogar über 170 km/h beobachtet.
Die Stärke der Böen hängt nicht nur vom Druckgradienten hab, auch die thermische Schichtung der Troposphäre hat einen erheblichen Einfluss auf die Böen. Bei labiler Schichtung erfolgt ein stärkeres Durchmischen, sodass viel häufiger die kinetische Energie der Höhenluftpakte bis zum Boden transportiert werden kann. So ist eine hohe Böigkeit bei einer kräftigen Einstrahlung (Sonnenböigkeit) oder aber auf der labilen Rückseite durchziehender Tiefdruckgebieten zu beobachten. Bei stabiler Schichtung ist die Böigkeit trotz eines hohen Druckgradientens sehr gering. Die starke Höhenströmung streicht über die stabile Grundschichtung einfach hinweg.
Weiterhin spielt die Geländeform und die topographische Höhe bei der Böenstärke eine wesentliche Rolle. So ist die Böigkeit in einem topographisch stark gegliederten Gelände höher als an der Küste oder auf den Bergen. Auch in Großstädten ist die Böigkeit deutlich intensiver als auf dem flachen Land. Lokale Effekte, wie der Kanalisationseffekt (Täler, Häuserschluchten) verstärken die Böen genauso wie der isallobarische Wind, der vom Drucksteiggebiet zum Druckfallgebiet weht und dem dortigen Gefälle direkt proportional ist.
Böen sind tückisch und aufgrund ihrer Kleinräumigkeit schwer vorherzusagen. Nicht selten versagen auch die Modelle bei der Böenberechnung. Mal sind die Böen zu stark, mal zu schwach berechnet
worden. Um sich so bei der Böenberechnung nicht gänzlich auf die Modelle verlassen zu müssen werden nachfolgend zwei empirische Methoden zur Böenbestimmung vorgestellt.
Methode 1: Höhenwind
Der Höhenwind in 850 hPa liegt oberhalb der planetarischen Grenzschicht und wird von den numerischen Wettervorhersagemodellen besser simuliert als der reibungsabhängige Bodenwind. Aufgrund dieser Tatsache ist der Höhenwind für die Abschätzung der Spitzenböen am Boden sehr interessant, auch wenn es in der Regel keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Höhenwind in 850 hPa und den Spitzenböen am Boden gibt (Böen werden ja im Regelfall in den untersten hundert Metern der Troposphäre generiert). Trotzdem stehen beide Winde in einem bestimmten Größenverhältnis zueinander.
Oft erreichen die Bodenböen etwa 70 Prozent der Windgeschwindigkeit in 850 hPa beziehungsweise liegt die Windstärke der Bodenböen etwa 3 Stärken unterhalb der Windstärke in 850 hPa. Wird also eine Windstärke 12 in 850 hPa simuliert, dann sind damit verbunden am Boden verbreitet Sturmböen der Stärke 9 sehr wahrscheinlich.
Höhenwind
(850 hPa)
um 100 km/h
um 120 km/h
um 140 km/h
um 160 km/h
mögliche Böen
(Boden)
um 70 km/h
um 85 km/h
um 95 km/h
um 110 km/h
Windstärke 12
Mittelwind in 850 hPa
=
Windstärke 9
in Böen am Boden
Die Böen können bei Schauern und Gewittern im Ausnahmefall auch
die Geschwindigkeit der Höhenströmung in 850 hPa erreichen. Durch kräftige Abwinde wird die Bewegungsenergie der Höhenströmung in 850 hPa zu Boden transportiert (vertikaler Impulstransport).
Daraus können extreme Orkanböen mit schweren Schäden resultieren.
Methode 2: Böenfaktor
Eine zweite Möglichkeit die Böen während eines Sturmereignisses zu bestimmen gelingt mit dem sogenannten Böenfaktor. Dazu muss nur die mittlere Bodenwindgeschwindigkeit, die sich ja messen und auch vorhersagen lässt, bekannt sein.
Der Böenfaktor zeigt das Verhältnis von maximaler Windgeschwindigkeit (Spitzenböe) zur mittleren Windgeschwindigkeit. In Deutschland liegt der mittlere Böenfaktor in Starkwindfeldern (Mittelwind von 6 Beaufort) bei etwa 1,5. Das ergab die Auswertung von rund 200 Böenereignissen innerhalb von verschiedenen Starkwindfeldern.
Der Böenfaktor variiert, denn er ist orts- und windgeschwindigkeitsabhängig. Er nimmt mit zunehmender Windgeschwindigkeit, topographischer Höhe und Küstennähe ab.
Mittelwind
um 45 km/h
um 55 km/h
um 65 km/h
> 75 km/h
Böenfaktor
1,7
1,5
1,4
1,3
Gebiet
Küste/Inseln
Berge/Bergkuppen
Deutschlandmittel
Tiefland/Flachland
Böenfaktor
1,3
1,3
1,5
1,6
Der Böenfaktor aber ist nur fernab von starken Schauern, Gewittern, Kaltfronten und Trogachsen anzuwenden und berücksichtigt keine lokalen Böenereignisse, die mit den eben genannten Phänomenen in
Verbindung stehen. Solche lokalen Windgeschwindigkeiten können mitunter das 4 bis 5-fache der mittleren Windgeschwindigkeit erreichen.
Autor: Denny Karran | Veröffentlicht: am 21.11.2015 | © Welt der Synoptik