Die Mehrzahl aller Regentropfen, die Sie am Boden beobachten können, waren einmal Schneeflocken. Das liegt daran, dass die Niederschlagsbildung in den mittleren Breiten überwiegend über die
Eisphase in Mischwolken erfolgt. Mischwolken bestehen aus Eiskristallen und Wassertropfen. In einem Temperaturbereich zwischen -10 und -35°C wachsen hier die Eiskristalle auf Kosten der
Wassertropfen. Dieser Vorgang wird als Sublimationswachstum oder Bergeron-Findeisen-Prozess beschrieben. Werden die Eiskristalle größer und können vom Aufwind nicht mehr getragen werden, fallen
sie zu Boden und schmelzen in wärmeren Schichten zu Regentropfen. Dies ist insbesondere in den Übergangsjahreszeiten der Fall. Im Winter dagegen sind häufig solche wärmeren Schichten nicht
vorhanden. Die Temperatur liegt dann vom Boden bis zum Ort der Entstehung des festen Niederschlags bei oder unter 0°C. Der Schnee erreicht den Boden und bleibt mitunter liegen. Um aber
tatsächlich Schneefall vorhersagen zu können, Bedarfs es die Anwendung einiger Faustregeln und Arbeitshilfen, die nachfolgend vorgestellt werden.
Das bedeutsamste Element ist zunächst einmal die Temperatur. Dabei ist die Betrachtung der Temperatur in der gesamten unteren Troposphäre zuerst einmal wichtiger, als die im Bodenniveau. Um nun zu erfahren, wie der vertikale Temperaturverlauf ist, ist die Auswertung eines Radiosondenaufstieges unabdingbar. Bestenfalls liegt das gesamte vertikale Temperaturprofil im negativen Bereich und somit auf der linken Seite der 0°C-Isotherme. In der Abbildung 1 sehen Sie einen beispielhaften vertikalen Temperaturverlauf. Dieses Beispiel ist typisch für einen sogenannten Schneefall-TEMP. Vom mittleren Wolkenstockwerk bis etwa 150 bis 200 Meter oberhalb des Erdbodens lassen sich durchweg negative Temperturen erkennen. Unterhalb vom Schnittpunkt der hier grünen Temperaturlinie und der blauen 0°C-Isotherme sind die Temperaturen leicht positiv und erreichen in Bödennähe 0,6°C. Trotz der leichten Plusgrade fällt Schnee. Dieser bleibt auch vorübergehend liegen, wenn die Intensität mäßige bis starke Werte erreicht. Ansonsten taut er sofort wieder weg. Wie lange der Schnee nach oder während eines Niederschlagsereignisses liegen bleibt, hängt übrigens unter anderem von der Wetterlage und von den Tempertauren des Erdbodens ab. In unserem Beispiel fällt der Schnee im Zusammenhang mit Warmluftadvektion, die in einer durchweg in allen Schichten anzutreffenden Westlage erfolgt. Daher sind Schneedecken, die sich bei solchen Wetterlagen ausbilden, zumindest in tieferen Lagen meist noch nicht einmal Eintagsfliegen.
Apropos Warmluftadvektion, verschiedene Vorgänge verändern den vertikalen Temperaturverlauf und sind damit von entscheidener Bedeuutung bei der Schneefallprognose. Zu diesen Vorgängen zählt auch die thermische Advektion, also die Warm- oder Kaltluftadvektion. In unserem Beispiel (Abbildung 1) erfolgt Warmluftadvektion, was an der bereits vorhandenen warmen Nase zwischen 800 und 700 hPa zu erkennen ist. Mit weiterer Erwärmung über Null gehen die Schneefälle wieder in Regen über. Aber neben der Temperaturadvektion gibt es noch weitere Vorgänge, die Einfluss auf das vertikale Temperaturprofil haben. Dazu zählen
Mit einem solchen Radiosondenaufstieg lässt sich also der Ist-Zustand sehr gut erkennen und zumindest für wenige Stunden im Voraus eine recht gut Prognosen erstellen. Für Schneefälle im Zeitraum der Kurzfrist, also für die kommenden 3 Tage, ist ein aktueller Radiosondenaufstieg alles andere als Hilfreich. Hierfür sind nun die all bekannten numerischen Wettervorhersagemodelle von Bedeutung. Obwohl die heutigen Wettermodelle immer feiner und genauerer werden, bleibt die Niederschlagsvorhersage auch in Zukunft mehr als schwierig. Zu komplex sind die Prozesse, die für die Wolken- und Niederschlagsentstehung verantwortlich sind. Dennoch aber spucken die Wettermodelle viele hilfreiche Karten aus, mit denen sich zumindest eine Wahrscheinlichkeit erkennen lässt, mit der Schneefall zu erwarten ist.
Wenn es über unseren Köpfen kälter wird, dann steigt auch die Wahrscheinlichkeit für Schnee am Boden. Und ob es kälter wird, zeigen uns die Karten mit der 850 hPa-Temperatur. Gehen die Temperaturen in diesem Niveau auf -5°C und weniger zurück, ist bei aufkommender Feuchte und Hebung zumindest eine entsprechend hohe Wahrscheinlichkeit für Schneefall gegeben. Diese Regel gilt für das Flachland. Für die mittleren und höheren Lagen dürfen die Temperaturen in 850 hPa natürlich etwas höher sein. Diese Regel aber geht nicht auf, wenn eine dünne warme Schicht innerhalb der planetarischen Grenzschicht, also vom Erdboden bis etwa 1500 Meter, vorhanden ist.
Auch die Schichtdicke gibt Hinweise für Schneefall. Diese kann berechnet oder aber aus Vorhersagekarten abgelesen werden. Die Schichtdicke, oder auch die relative Tropographie, wird sogar sehr oft als Hilfsmittel für die Schneeprognose verwendet. Die Schichtdicke beschreibt den Abstand zweier Druckflächen, welcher sowohl von der Temperatur als auch von Luftfeuchtigkeit abhängig ist. Aber auch die Vertikalbewegungen spiele eine Rolle. Je kälter und trockener die Luft, desto geringer ist die Schichtdicke. Für die Schneefallvorhersage wird häufig die Schichtdicke zwischen der 1000 hPa und der 850 hPa Druckfläche, also im Bereich der planetarischen Grenzschicht, betrachtet. Liegt diese unterhalb von 129 gpdm (etwa 1290 m), ist die Wahrscheinlichkeit für Schnee sehr hoch. Bei einem Wert von über 131 gpdm ist in der Regel von Regen auszugehen. Diese Fausregel gilt für das Flachland. Für Gebirgslagen dürfen die Werte sicher auch höher sein, denn dort ist es aufgrund der Druckabnahme ohnehin kälter.
Mitunter sogar die Schichtdicke zwischen der 1000 hPa und der 500 hPa Druckfläche verwendet. Dies ist aber wenig ratsam, denn aufgrund des großen Abstandes werden dünne warme Schichten in den unteren Niveaus gar nicht berücksichtigt. Insgesamt ist bei Schichtdickenbetrachtung nur hilfreich, dass es keine Inversionslagen gibt.
Und wenn Ihnen das heraussuchen der Temperaturen und der Schichtdicke zu umfangreich erscheint, dann schauen Sie sich die simulierten Nullgrad- und Schneefallgrenzen an. Diese werden in Metern
über dem Meerespiegel angegeben. Die Schneefallgrenze liegt 100 bis 200 Meter unterhalb der Nullgradgrenze.
Schneefall tritt nicht nur bei Temperaturen um 0°C auf. Auch bei 5 oder 7°C wird Schneefall insbesondere bei starken Schauern oder Gewittern im Frühling beobachtet, wenn trockene polare Kaltluft Mitteleuropa flutet. Verdunstung der Niederschlagspartikel kühlt die Luftsäule stark ab, sodass Schneeflocken auch am Boden beobachtet werden können.