Wetterereignisse 2010

Midwest Superstorm


© Welt der Synoptik | Analyse des Sturmtiefs
© Welt der Synoptik | Analyse des Sturmtiefs

Heftige Wettererscheinungen sind in den USA nichts Ungewöhnliches. Verheerende Tornados, starke Hitzewellen, zerstörerische Hurrikane sowie schneereiche Blizzards treten zu der jeweiligen Hauptsaison immer wieder auf. Gelegentlich aber kommt es über dem US-amerikanischen Kontinent auch zu meteorologischen Extrementwicklungen. Ende Oktober 2010 bildete sich über dem mittleren Westen ein außergewöhnliches Sturmtief, das einen Minimalluftdruck im Zentrum von 955,2 hPa in Bigfork, Minnesota aufwies. Damit geht dieser Wirbel als "Midwest Superstorm" in die meteorologischen Geschichtsbücher ein. Neben Spitzenböen von 130 km/h wurden dem Storm Prediction Center mehr als 60 Tornadoereignisse zugemeldet. Insgesamt waren über 100.000 Haushalte ohne Strom. 500 Flüge fielen auf dem internationalen Großflughafen O'Hare in Chicago aus. In North Carolina wurden nach Behördenangaben elf Menschen verletzt und mehrere Häuser zerstört. In anderen Gebieten sorgte die Sturmfront für einen Vorgeschmack auf den Winter. In North und South Dakota sowie in Minnesota fielen zum Teil 9 cm Schnee. In North Dakota gaben die Behörden zudem eine Blizzard-Warnung heraus. Der Sturm tobte auf einer Fläche achtmal so groß wie Deutschland.

Synoptische Entwicklung vom 25. bis zum 27. Oktober 2010

 

Aufgrund großer Temperatur- und Druckunterschiede in der gesamten vertikalen Troposphäre baute sich als Ausgleichströmung der Jetstream in 300 hPa weiter auf. Auf einer Strecke von knapp 1000 km betrug der meridionale Temperaturgradient über dem mittleren Westen und dem Westen der USA etwa 20 K. So erreichte der Jet an der Westküste am Montag, dem 25.10.2010 bereits über 160 Knoten (ca. 300 km/h). Zudem erfolgte von Südwestkanada eine zunehmende Austrogung, die durch das Überströmen des Jets über die Rocky Mountains hervorgerufen wurde.

 

Die Austrogung hielt weiter an und nahm rasch eine negativ gekrümmte Achsenneigung ein. Im Bodendruckfeld befanden sich am Montag bereits weite Teile der USA im zyklonalen Einfluss. Das steuernde Zentraltief lag in etwa zwischen North und South Dakota.

 

Von Texas bis nach Kansas zeigte sich weit südlich des steuernden Tiefs eine Welle, die durch das weitere Voranschreiten des Troges und des Jets sich mehr und mehr vertiefte und bereits am Dienstag, dem 26. Oktober 2012 um 00 UTC ein geschlossenes Tiefdruckzentrum mit der oben genannten Primärzyklone (Zentraltief) bildete. Nachfolgend kam es zu einer Entwicklung, die in der Meteorologie auch als Bombogenese beschrieben wird.

Die Lage des regenerierten Tiefs war für eine rasche Intensivierung optimal. So lag es einerseits weiterhin trogvorderseitig, entscheidend aber für den rasanten Druckfall war die Position direkt unter dem diffluenten linken Jetausgang.  

 

So fiel der Luftdruck innerhalb von 12 Stunden von etwa 980 hPa auf 955,2 hPa in Bigfork, Minnesota. Ein Luftdruck, der dem eines Hurrikans der Kategorie 3 entspricht. Das Sturmmaximum lag in etwa zwischen 27.10.2010 00 UTC und 27.10.2010 06 UTC.

 

Überraschend schnell baute sich ein gigantisches Sturmfeld auf, das vor allem an der Südost- und Ostflanke des Tiefs mit Orkanstärke über das Land zog. Gerade dort kam zu der Wind- auch die Verlagerungsgeschwindigkeit des Tiefs hinzu. Weiterhin wurde dort ein isallobarischer Wind erzeugt, der vom Druckanstieg südlich zum Druckfall nördlich des Tiefs wehte. Bei solchen Zusatzeffekten wundert es nicht, dass in Illinois vom schlimmsten Sturm der letzten 70 Jahre gesprochen wurde. Berechnungen zufolge war eine Fläche von mehr als 3 Millionen Quadratkilometern vom Sturmfeld betroffen. Das entspricht in etwa ein Gebiet 8,5-mal so groß wie Deutschland. Diese enorme Größe und der extrem niedrige Luftdruck machten dieses Tief so außergewöhnlich. Gemessen wurden Spitzenböen bis 130 km/h. Die Sturmfront erstreckte sich über eine Länge von 2000 Kilometern. Die mit dem rapiden Druckfall erzeugte zyklonale Rotation war so enorm, dass selbst der Jet mit in die Strömung des Tiefdruckzentrums eingezogen wurde. Dank der großen Reibung fielen die Böen relativ glimpflich aus. Wäre es ein Hurrikan gewesen, der unmittelbar das Festland beeinflusst hätte, so müsste man zu diesen Böen 20 bis 30 % an Windgeschwindigkeit hinzuaddieren. Spitzenböen um 170 km/h wären dann keine Seltenheit gewesen.

 

Solche derart rapiden Zyklogenesen kennt man eigentlich vom Nordatlantik, wo es unter ähnlichen Bedingungen wie über den USA zu markanten Tiefdruckentwicklungen kommt. Dennoch sind auch hier derartige Zyklogenesen äußerst selten. Im Falle der Bombogenese über den USA stimmten alle meteorologischen Randbedingungen exakt überein.


© Welt der Synoptik | Autor: Denny Karran, geschrieben am 28.10.2010