Wettereignisse 2013

Glatteis in West- und Südwestdeutschland


Sonntag, den 20. Januar 2013 werden wohl viele Bürger besonders in Hessen und Baden Württemberg nicht mehr so schnell vergessen. Stundenlanger Niederschlag in Form von Glatteisregen und Eiskörnern brachte in etlichen Regionen eine Landschaft aus klarem Eis hervor. Gegenstände, Straßen und Oberleitungen wurden dabei von einer mehreren Millimeter dicken Eisschicht überzogen. Mit den bereits vorangegangen festen Niederschlägen lag nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes über Deutschland verteilt eine akkumulierte Schnee- und Eislast von 3,5 Milliarden Tonnen. Während in Karlsruhe Kinder auf Straßen Schlittschuhe liefen, schloss gegen 16:30 der größte deutsche Verkehrsflughafen Frankfurt am Main vollständig. Am Sonntag und Montag wurden insgesamt 996 Flüge gestrichen. Am Montagmorgen selbst fiel in Darmstadt der Straßenbahnverkehr ersatzlos aus und in Frankfurt am Main fuhren die U-Bahnen nur unterirdisch. Busse blieben aufgrund der Witterung in ihren Depots, sodass es in Hessen an zahlreichen Schulen unterrichtsfrei gab. Trotz des verkehrsruhigen Sonntags wurden in Baden Württemberg über 1000 Verkehrsunfälle gezählt. Laut Polizei herrschten katastrophale Zustände. Traurigerweise starb ein Rentner beim Salzstreuen nach dem Sturz auf den Hinterkopf in Sulz am Neckar. Der Gesamtschaden geht womöglich in die Dekamillionen Euro.

Ursache und die synoptische Entwicklung der Glatteislage

 

Wie einflussreich synoptische Strukturen über dem nordamerikanischen Kontinent für das mitteleuropäische Wetter sind, zeigt sich wieder einmal an dieser doch recht außergewöhnlichen Glatteislage am 20. Januar 2013. Im Laufe der zweiten Januardekade entwickelte sich über Ost- und Zentralkanada ein sehr markanter und bilderbuchartiger Langewellentrog. Messwerte dieses Troges anhand von Radiosonden sprechen für sich. So erreichte die Temperatur in 850 hPa  -34°C und in 500 hPa -49°C. Die Luftschicht wurde so stark gestaucht, dass die Tropopause bei etwa 6000 m lag. Gleichzeitig wehte der Jetstream stromabwärts der Trogachse mit 343 km/h.

© Welt der Synoptik, Daten: Metwatch | Wind und Temperatur in 500 hPa am 18. Jan. um 12 UTC über Kanada.
© Welt der Synoptik, Daten: Metwatch | Wind und Temperatur in 500 hPa am 18. Jan. um 12 UTC über Kanada.

Langewellentröge neigen zu nur geringer Dynamik und initiieren in der Regel keine nennenswerten Zyklogenesen. Allerdings schwenken immer wieder Kurzwellentröge um einen solchen Langwellentrog herum, auf dessen Vorderseite sehr wohl starke Zyklogenesen möglich sind. So auch in der Nacht zum Donnerstag, dem 17. Januar, als sich an der äußersten Nordostküste der Vereinigten Staaten eine stabile und flache zyklonale Bodendruckwelle entwickelte. Eingebettet in einem scherungsfreien Bereich der rund hier 300 km/h starken Höhenströmung wurde das Tief rasch Richtung Europa gesteuert und intensivierte sich ab Freitagnachtmittag bis in die Nacht zu Samstag explosionsartig nordwestlich der Iberischen Halbinsel. Der Kerndruck fiel dabei innerhalb von 12 Stunden um 20 hPa. Am Samstagmorgen, dem 19. Januar um 06 UTC wurde das Tief mit einem Kerndruck von 975 hPa an der Nordwestküste Spaniens analysiert. Tagsüber brachte das vorübergehende Orkantief in Spanien und Portugal Spitzenböen bis 120 km/h. Abschwächend zog die recht kleinräumige Zyklone über die Pyrenäen bis Sonntag nach Frankreich und drehte am Abend nach Norden zum Ärmelkanal ab. Dabei erreichte noch Samstagabend erstes Aufgleiten mit leichtem Glatteisregen den äußersten Südwesten Deutschlands.

Bis Sonntagmittag kam die mit anfänglichem Schneefall sehr flach geneigte Warmfrontfläche des Tiefs in der Höhe bis in das norddeutsche Tiefland voran. Dagegen wurde die frontale Konvergenz am Boden zonal im Alpenraum analysiert. Niedertroposphärische Warmluftadvektion vom Mittelmeer überlagerte nun weitflächig die bodennahe Zufuhr kontinentaler Frostluft von Nordosten her, wobei die Advektion der bodennahen Kaltluft aufgrund der Interaktion zwischen dem abdrehenden Tief zum Ärmelkanal und hohem Druck über Südskandinavien nicht abreißen konnte. Demnach erfolgte im Bodenniveau deutschlandweit auch kein Luftmassenwechsel. Lediglich die süddeutschen Bergstationen verzeichneten einen Temperaturanstieg von über 0°C. So wurden an der Station Feldberg/Schwarzwald (1493 m) maximale 4,5°C, auf dem Großer Arber (1446 m) 4,0°C und auf dem Hohenpeißenberg (986 m) 1,8°C gemessen. In Garmisch-Partenkirchen (719 m) wurden 7.2°C, in Mittenwald sogar 10°C registriert. Wegen der fehlenden frontsenkrechten Windkomponente lag die Frontfläche quasistationär über dem Bundesgebiet. Eine Änderung Wettersituation war entsprechend bis zum Abend nicht zu erwarten.

© Welt der Synoptik, Daten: Metwatch | Wetter und Temperaturen am 20. Januar 2013 um 18 UTC.
© Welt der Synoptik, Daten: Metwatch | Wetter und Temperaturen am 20. Januar 2013 um 18 UTC.

Kräftiges Aufgleiten führte ab dem frühen Sonntagnachmittag von Südwesten her besonders in Südhessen zu intensivem Glatteisregen. Zu positiven Temperaturen kam es dabei in einer Schichtdicke von 800 m oberhalb einer etwa 600 bis 800 m  mächtigen Kaltluftschicht. Entsprechend dieser Mächtigkeit konnten in Südhessen führ lange Zeit sogar Eiskörner beobachtet werden. In Süddeutschland war die über der Kaltluft liegende Warmluft deutlich hochreichender. Die Schichtdicke betrug so am Nachmittag 1400 bis 2000 m. Da die Höhenströmung von Süden und Südwesten über die Alpen wehte, kam es in Bayern kaum zu nennenswertem Glatteisregen, obwohl sich die Luft durch föhnbedingtes Absinken bis +7°C im 850-hPa-Niveau erwärmte. So erklärt sich auch die vergleichsweise extrem hohe Temperatur in manchen Alpentälern, die bekanntermaßen immer zu Föhndurchbrüchen neigen (Mittenwald). In unmittelbarer Nachbarschaft der durchgebrochenen Föhnluft (teilweise weniger als 10 m!) kann es dabei trotzdem frostig kalt sein. 

 

Am Abend rückte die Kaltfront okkludierend von Wesen nach, wodurch die Warmluftschicht in der Höhe zunehmend abgebaut wurde und die Regenfälle teilweise in starken Schneefall übergehen konnten. Insgesamt fielen im Rhein-Main-Gebiet etwa 10 mm Regen und Eiskörner. In der Nacht zu Montag kamen in Südhessen zu dem Eis noch einmal um 4 cm, in den mitteldeutschen Berglagen verbreitet sogar 10 bis 15 cm Neuschnee hinzu.

 

Besonders erwähnenswert ist die Dauer des Ereignisses. Selten fällt in einem Zeitraum von zum Teil 6 Stunden gefrierender Regen. In der Regel ist der Glatteisregen ein vorübergehendes Ereignis mit baldiger bodennaher Milderung und einer Entspannung der Lage. In diesem Fall aber führte die besondere Konstellation der synoptischen Strukturen zu einem gegenteiligen Ablauf.


Autor: Denny Karran | Veröffentlicht: am 29.01.2013 | © Welt der Synoptik