Wetterereignisse 2012

Kurze markante Hitzewelle in Mitteleuropa


© Welt der Synoptik | Hitzewelle in Mitteleuropa
© Welt der Synoptik | Hitzewelle in Mitteleuropa

Typischerweise ist unser mitteleuropäischer Sommer in Anbetracht der geographischen Lage innerhalb der planetarischen Zirkulation von wechselhafter Natur. So sind warme sowie trockene Phasen genauso üblich wie kühle und feuchte Witterungsabschnitte. Auch ein gewitterträchtiger subtropischer Warmluftvorstoß gehört zur Standardausrüstung unseres Sommers dazu. Wahrhaben wollen dies aber nur die wenigsten, denn nicht umsonst gehört das ewige Gejammer über das (aus meteorologischer Sicht) "normale" Sommerwetter zu unserer Gesellschaft dazu. Unangenehm, und doch von vielen erwünscht, sind Strahlungswetterlagen und Temperaturen von mehr als 30°C - sprich, Hitzewellen! Diese fordern jedoch weltweit und jedes Jahr mehrere Tausend Todesopfer. Hinzu kommen Dürren, Hungersnöte und Probleme in der Binnenschiffahrt. Die katastrophalste Hitzewelle in Mitteleuropa rollte im Sommer 2003 über uns hinweg. Die Hitzewelle Mitte August 2013 kann zumindest intensitätsmäßig mit der aus dem Jahr 2003 konkurrieren. Der kurze Verlauf aber ließ keine katastrophalen Situationen zu. Nichtsdestotrotz wurden aber aufgrund der passenden Strömungskonstellaltion, der Subsidenz sowie der Einstrahlung Allzeitrekorde fast erreicht beziehungsweise sogar geknackt. 


Kartenquelle: met.fu-berlin.de
Kartenquelle: met.fu-berlin.de

Synoptische Beschreibung der Wetterlage und Temperaturentwicklung vom 16. bis 20. August 2012

 

Die Ausgangslage der kurzen aber rekordverdächtigen Hitzewelle über Mitteleuropa zeigt am Donnerstag, dem 16. August 2012 einen Langwellentrog sowie eine dazugehörige markante achsensenkrechte und somit quasistationäre Zyklone mit dem Namen XENJA über dem Nordostatlantik. Vorderseitige hochreichende Warmluftadvektion führte zu einem raschen Potentialanstieg und somit Aufwölben eines bereits über Südeuropa liegenden Höhenkeils Richtung Mittel- und Nordeuropa. Bis zum folgenden Samstag verlagerte sich seine Keilachse quasimeridional über Deutschland. Stromabwärts führte die hochtroposphärische Horizontalkonvergenz über Mitteleuropa zu Druckanstieg. Anschließend konnte mit einer südlichen Grundströmung ab Freitag verstärkt subtropische Warmluft mit einer Starttemperatur von leicht über 30°C in 850 hPa aus dem Norden Afrikas mit sukzessiver Abkühlung und einem geringen Anteil an Saharastaub gen Mitteleuropa verfrachtet werden.


Grafische Temperaturentwicklung vom 17. bis 20.08.2012 in 850 hPa. Bildquelle: wetter3.de

So konnten am Samstag über Mallorca in 850 hPa immerhin noch 28°C gemessen werden. Palma de Mallorca vermeldete am Abend eine Höchsttemperatur von 36,7°C. Der Hitzeschwerpunkt lag jedoch über Frankreich. Die höchste Temperatur des Tages wurde dabei in Montgivray (Zentralfrankreich) mit 42,3°C gemessen. Die Temperaturen in 850 hPa stiegen bis in die Nacht zum Sonntag weiter an und erreichten über Südwestfrankreich maximale 24 bis zum Teil 26,8°C (Bordeaux Merignac Observation). Im Westen Deutschlands wurden bei 21°C in 850 hPa in 2 Meter Höhe örtlich 36°C, wie in Trier (Rheinland-Pfalz), erreicht. Die Meteomedia-Station Brauneberg-Juffer (ebenfalls in Rheinland-Pfalz gelegen) registrierte sogar 36,6°C.

 

Am Sonntag verlagerte sich der Hitzepol über Deutschland. So stieg die Temperatur in 850 hPa über Essen am Mittag auf 24°C und bis zum Abend über Idar-Oberstein im gleichen Niveau auf 25°C. Über Stuttgart wurden in der Nacht zu Montag sogar 25,6°C gemessen. Der Deutsche Wetterdienst registrierte in Bad Kreuznach und Saarbrücken- Burbach Tageshöchstwerte jeweils von 38,9 Grad. Dagegen wurden von der Meteomedia 39,2 Grad in Göllheim und 39,1 Grad in Dillingen gemessen.

 

Der Montag brachte den absoluten Höhepunkt der Hitzewelle in Deutschland und Mitteleuropa. Bei Temperaturen um 23°C in 850 hPa (Lindenberg, Kümmersbruck) stiegen die Höchstwerte in Sachsen und Südbrandenburg verbreitet auf 36 bis 38°C. Die wärmsten Orte waren Dresden-Hosterwitz mit 39,8 und Dresden-Strehlen mit 39,7 Grad (DWD). Damit wurde der Allzeitrekord von 40,2°C in Deutschland um nur wenige Zehntel verfehlt. Stattdessen wurde in Tschechien der maximale nationale Temperaturrekord von bisher 40,2°C in Uhrineves an der Station Dobrichovice mit 40,4°C sogar gebrochen. Insgesamt, so der Deutsche Wetterdienst, wurden an 42 Stationen im Laufe der Hitzewelle neue Rekordtemperaturen seit Beginn der jeweiligen Messperioden aufgestellt. So beispielsweise mit 29,0°C auf der 1153 m hohen Brockenstation.

Die anfangs OMEGA-ähnliche Wetterlage ließ nur ein vorübergehendes stabiles Langwellenmuster mit einem Höhenkeil über Mitteleuropa zu. Bereits ab Montag begann das Wellenmuster abzuflachen. Als wesentlicher Grund dafür war das Fehlen von hochreichenden flankierenden Zyklonen stromauf- und stromabwärts des Höhenkeils. Der Hitzepol verlagerte sich ab Dienstag weiter Richtung Balkan und besonders die Mitte und der Süden Deutschlands verblieben bis einschließlich Samstag in einer teils unangenehmen humiden subtropischen Warmluft.


Grafik: WDS / MetWatch
Grafik: WDS / MetWatch

In der Ober- und Niederlausitz wären mehr als 40°C möglich gewesen!

 

In der Ober- und Niederlausitz kam es bis zum frühen Montagnachmittag zu einer raschen Erwärmung der unteren direkten bodennahen Luftschicht. So wurden bereits um 14:00 Uhr in 5 cm Höhe verbreitet mehr als 41°C gemessen. In Dresen-Klotzsche waren es sogar 43,5°C. Mit nachfolgendem Wolkenaufzug und leichter Windzunahme gingen die Temperaturen besonders in der Oberlausitz in unmittelbarer Bodennähe stetig zurück. Währenddessen aber schritt die Erwärmung der Luft in 2 Meter Höhe bis etwa 17 Uhr aufgrund des turbulenten Wärmetransportes weiter voran, welche dann Spitzenwerte wie in Dresden-Hosterwitz mit 39,8°C beziehungsweise 39,7°C in Dresden-Strehlen erreichte.

 

Bei anhaltender ununterbrochener Einstrahlung wäre die Temperatur in 5 cm über Grund noch mindestens um 2°C gestiegen. Dies zeigen die Auswertungen der Messwerte vom vorangegangen Tag. Bei hypothetischen maximal möglichen Ausgangswerten von beispielsweise 45,5°C in 5 cm über Grund, wäre wegen des turbulenten Wärmetransportes in Dresden die 40°C-Marke mit Sicherheit geknackt worden. Gleiches gilt natürlich auch für Stationen in der Niederlausitz.

Maximale Höchsttemperaturen in Verbindung mit der Hitzewelle in Mitteleuropa div. Länder (≥ 36,0°C)
Nation Höchsttemperatur Stadt Datum
Frankreich 42,3°C Montgivray 18.08.2012
Tschechien 40,4°C Dobrichovice 20.08.2012
Deutschland 39,8°C Dresden-Hosterw. 20.08.2012
Belgien 36,9°C Kleine Brogel 19.08.2012
Schweiz 36,9°C Sion 20.08.2012
Niederlande 36,7°C Ell 19.08.2012
Österreich 36,3°C Wien, Hohe Warte 20.08.2012
Polen 36,0°C Opele 20.08.2012
 

Kartenquelle: wetter3.de
Kartenquelle: wetter3.de

Extreme Instabilität

 

Neben den Höchsttemperaturen war auch die enorme Instabilität der Luftmasse besonders am Sonntag sehr beeindruckend. So wurde im Vorfeld einer von Frankreich zur Ostsee gesteuerten Randstörung feuchte Luft in tieferen Niveaus nach Mitteleuropa verfrachtet. Gleichzeitig aber lag in der Höhe nach wie vor die trockene Wüstenluft Nordafrikas. Diese Schichtung führte dazu, dass wir zeitweise einen Grad der Luftmasseninstabilität erreichten, welchen wir sonst nur aus dem mittleren Westen der USA kennen. Numerische Analysen des Globalen Vorhersage Systems (GFS) zeigten am Sonntag von Nordwestdeutschland über Benelux bis nach Frankreich eine MLCAPE von zum Teil mehr als 3500J/Kg sowie einen Lifted Index bis -14. Der Differenzbetrag zwischen der 850 hPa Temperatur und der 500 hPa Temperatur erreichte Spitzenwerte von 38°C. Da das GFS die Tagesmaxima wahrscheinlich aufgrund der unbeachteten überadiabatischen Erwärmung in Bodennähe unterschätzt hat, ist anzunehmen, dass die MLCAPE sogar noch etwas höher gelegen haben müsste. Messwerte liegen aber leider keine vor. Am Sonntagabend und in der Nacht zu Montag erreichten die Taupunkte bei anhaltender bodennaher Feuchtezufuhr im Nordwesten Deutschlands mehr als 20°C. Gegen 20 Uhr MESZ wurden in Mönchengladbach beachtliche 24 Grad gemessen. Die daraus resultierende enorme potentielle Instabilität zeigte sich auch im KO-Index wieder. Mit dem Essener-TEMP ließ sich Montagnacht um 02 MESZ ein ungewöhnlich „hoher Wert“ von -14 errechnen. Über Belgien wurden immerhin noch -12 erreicht.

 

Eine thermische Auslöse galt als unwahrscheinlich, da die „Convection Temperature“ zwischen 40 und 42°C lag. Auch fand sich nur wenig Dynamik im Bereich der Randstörung, um hochreichende Konvektion zu produzieren. Als Problem erwies sich genauer gesagt die stabile Schicht (CINH) zwischen dem Hebungskondensationsniveau und dem Niveau der freien Konvektion (welches in einer Höhe von 3000 bis 3500 m lag und nicht erreicht wurde). So kam es von Sonntagabend bis Montagfrüh nur zu schwacher und flacher Konvektionsbewölkung mit leichten Regengüssen.


Vorhersagbarkeit (Bezugsmodelle NAE und GFS)

 

Eine positive Abweichung der Temperatur im Vergleich zum klimatologischen Mittelwert für Mitteleuropa zeigte sich bereits zu Beginn der zweiten Augustdekade für den betrachteten Zeitraum ziemlich deutlich. Zu diesem Zeitpunkt aber war noch nicht die tatsächliche „Intensität“ und Dauer der Hitzewelle abzuschätzen. Dies änderte sich mit den neusten Modellläufen vom 16. und 17. August, wenngleich das akkurate Abschätzen der Höchsttemperaturen des jeweiligen Tages aber erst in etwa 24 Stunden im Voraus gelang. Als zuverlässiges Modell galt dabei das NAE. Dagegen wurden die Höchstwerte vom GFS um bis zu 4°C unterschätzt. Erst im letzten Lauf vor dem Eintreten der Höchsttemperaturen näherte sich das GFS den tatsächlichen Maximalwerten. Insgesamt hielt aber das NAE auch aufgrund der höheren Auflösung die Nase vorn.


Autor: Denny Karran | Veröffentlicht: am 28.08.2012 | © Welt der Synoptik